Pfadfinder in Deutschland…

…unterscheiden sich in vielen Einzelheiten recht stark von den Pfadfindern in den meisten anderen Ländern.

Das liegt daran, dass das Pfadfindertum in Deutschland aus 2 Wurzeln entspringt. Zum einen aus der internationalen Pfadfinderbewegung und zum anderen aus der deutschen Jugendbewegung.

Was es mit beidem auf sich hat, kannst du hier herausfinden:

Die internationale Pfadfinderbewegung

Die Geschichte der Pfadfinderei ist eng mit dem Lebensweg des Gründers der Bewegung Lord Robert Baden-Powell (oder in Pfadi-Kreisen üblicherweise „BiPi“ genannt) verknüpft.

Der Gründer in seinen Kinderschuhen:

BiPi ist 1857 in London geboren und war ein ausgesprochen durchschnittlicher Schüler. Er interessierte sich viel mehr dafür mit seinen beiden älteren Brüdern auf Fahrt zu gehen. Hier verschlug es sie auf längeren und abenteuerlichen Wanderungen und Paddelausflügen zum Teil bis nach Schottland oder sogar Norwegen.

BiPi revolutioniert die britische Armee

Die beste Möglichkeit fremde Länder zu bereisen, war damals eine Laufbahn in der britischen Armee, da Großbritannien damals noch Kolonien in aller Welt hatte. Deswegen entschied er sich 1876 gegen ein Studium und für das Militär. Er wurde in Südafrika und Indien eingesetzt und machte eine steile Karriere. Bipi fiel durch seine ungewöhnlichen und modernen Ausbildungsmethoden auf. Statt auf die altbewährten Drillübungen im Massenverband setzte er auf kleine eigenverantwortliche Ausbildungseinheiten. Damit erzielte er erstaunlich gute Ergebnisse. 1899 veröffentlichte er für die Ausbildung der englischen Offiziere das Buch „Aids to Scouting“.

Krieg ist nichts für junge Menschen

Bei seiner Heimkehr stellte der Held erschrocken fest, dass zahlreiche Jugendliche sein Buch lasen, um danach begeistert in die Natur zu ziehen und die beschriebenen Übungen auszuprobieren. Er hielt das für militärische Zwecke geschriebene Buch jedoch nicht für Jugendliche geeignet. Nichtsdestotrotz war dies aber auch ein Zeichen, dass es in England kein vernünftiges Konzept für eine moderne und interessante Erziehungsmethode für die Jugend gab. Also schrieb BiPi ein weiteres Buch: „Scouting for Boys“.

Der Beginn einer Weltbewegung

Bevor er das Buch veröffentlichte, wollte er seine Methode wenigstens in der Praxis ausprobiert haben. Deswegen veranstaltete er auf der Insel Brownsea Island im Juli 1907 ein erstes Zeltlager, wozu er 22 Jungen aus allen sozialen Schichten einlud. Auch hier teilte er die Jungen in vier Kleingruppen ein, die sich je einen verantwortlichen Anführer aus ihren Reihen wählten. Das Lager war ein überwältigender Erfolg und gilt als die Geburtstunde der Weltpfadfinderbewegung. Ein Jahr später erschien sein Buch, das sofort zu einem Bestseller wurde und innerhalb weniger Wochen schossen überall in England Pfadfindergruppen aus dem Boden.

Pfadfinderei ist für alle da

War die Idee erst für Jungen gedacht, gab es schon bald jede Menge Mädchen, die sich ihr Recht einforderten beim „großen Spiel“ mitmachen zu dürfen. Für sie gründete BiPis Frau Olave 1916 die Organisation „Girl Guides“. Für die Jüngeren wurde die sogenannte Wölflingsstufe eingerichtet und die aus der Pfadfinderstufe herausgewachsenen fanden ihren Platz bei den Rovern. Für sie schrieb BiPi das Buch “ Aids to Scoutmastership“ und führte praxisbezogene Ausbildungskurse ein, an deren Ende man die symbolischen „Wood-Badges“ erwerben konnte.

Eine rasante Verbreitung…

Innerhalb weniger Jahre verbreitet sich die Idee in unzähligen Ländern dieser Welt. Heute gibt es über 30 Millionen Pfadfinder in fast allen Ländern dieser Welt.

…auch in Deutschland

Bereits 1909 (2 Jahre nach dem ersten Lager) übersetzte Dr. Alexander Lion BiPis Buch in die deutsche Sprache: „das Pfadfinderbuch“. 1911 wurde im Beisein des Kaisers der „Deutsche Pfadfinderbund“ (DPB) gegründet. Mit einem Hauptmann in der Leitung wurde das Programm klar als vor-militärische Ausbildung konzipiert und meist von Offizieren angeleitet.

1912 zogen auch in Deutschland die Mädchen in Form des „Deutschen Pfadfinderbund für junge Mädchen“ nach. Luise von Hopffgarten war Vorsitzende und brachte dazu das für die damalige Zeit enorm fortschrittliche und emanzipatorische „Pfadfinderbuch für junge Mädchen“ heraus.

Ich will dem Frieden dienen

Besonders nach dem Schrecken des Ersten Weltkriegs, setzte BiPi seine Idee einer weltweiten Bruderschaft aller Pfadfinder und den Einsatz für den Frieden um. 1920 fand das erste Weltpfadfindertreffen, das sogenannte World Jamboree, in London statt. Seitdem steht das Jamboree aller vier Jahre dick im Kalender aller Pfadfinder.

Die letzten Schritte und Jahre des Gründers

Beim ersten Jamboree wurde BiPi zum „Chief Scout oft the World“ ernannt. Im selben Jahr schenkte ein schottischer Geschäftsmann den Pfadfindern den Gilwell-Park bei London, wo er ein Ausbildungszentrum für Scoutmaster aufbaute. 10 Jahre später erhielt BiPi außerdem den Ehrentitel „Lord of Gillwell“.

Er und seine Frau Olave verließen Großbritannien und verbrachten ihren Lebensabend in Kenia, von wo aus sie die Weltpfadfinderbewegung weiter führten.

Robert Baden Powell verstarb am 08.01.1941.

Auf seinem Grabstein ist ein Wegzeichen abgebildet, das bedeutet:

„Ich habe meinen Auftrag erfüllt und bin nach Hause gegangen“

Die deutsche Jugendbewegung

Harte Schranken für die Jugend…

In den letzten Jahren des 19. Jahrhunderts gab es für die Jugendlichen in Deutschland nur Vorschriften und Verbote. Die Eltern hießen „Herr Vater“ und „Frau Mutter“ und wurden mit „Sie“ angesprochen. Es gab kaum Freizeitbeschäftigungen und man durfte sich mit Gleichaltrigen nur in Gegenwart eines Erwachsenen treffen, der immer ein strenges Auge auf einen hatte.

…wollten durchbrochen werden

1897 traute sich in Berlin-Steglitz eine erste Gruppe von Schülern

ohne Erwachsene mehrere Tage in den Wäldern außerhalb der Großstadt wandern zu gehen.

Abends saßen sie am Lagerfeuer, sangen alte Volkslieder und genossen den Duft der Freiheit. Sie trugen einfache Kleidung und spielten wilde Raufspiele.

„Das kann doch wohl nicht wahr sein“

Was sich heute ziemlich harmlos anhört, war damals ein richtiger Skandal! Die Jugendlichen kamen schmutzig und abgekämpft von ihren Fahrten in die Stadt zurück. Die Eltern waren entsetzt.

„Wir sind Wandervögel“

Nichtsdestotrotz fuhren die jungen Leute wieder los. Sie schufen sich auf den gemeinsamen Fahrten einen einzigartigen Lebensraum, in dem sie ohne die Vorschriften der Erwachsenenwelt nach ihren eigenen Vorstellungen miteinander leben konnten.

Unabhängig von den Berlinern entstanden auch in anderen Städten ähnliche Gruppen. Alsbald gaben sie sich selbst den Namen „Wandervogel“: die deutsche Jugendbewegung war geboren. Auch die Mädchen fanden sehr schnell ihren Platz darin.

Die „Meißnerformel“

Ein bestimmtes Programm gab es nicht. Was einem „Versprechen“ vielleicht nahe kommt, ist die sogenannte „Meißner Formel“. Diese wurde anlässlich eines Treffens 1913 auf dem Hohen Meißner nähe Kassel formuliert, bei dem sich 14 jugendbewegte Gruppen begegeneten. Sie gilt auch heute noch für viele Wandervögel und lautet:

„Die Freideutsche Jugend will ihr Leben aus eigener Bestimmung, vor eigener Verantwortung, mit innerer Wahrhaftigkeit gestalten.“

Zusammenrücken nach dem Krieg: die bündische Zeit

Der Krieg stellte einen tiefen Einschnitt in die Wandervogelbewegung dar. Viele junge Männer, die leitende Positionen inne hatten, waren gefallen. Oft wurden sie dann von den Frauen weitergeführt.

Hielten die Wandervögel die Pfadfinder vorher noch für steif und viel zu militaristisch, sehnten sie sich nun doch nach mehr Festigkeit und Ordnung. Sie wünschten sich eine Lebensgemeinschaft mit verbindlichen Bundeszielen.

So wählten sie als Symbol auch einen Bund und man sprach bald von der „bündischen Jugend“.

Ungeachtet dessen gingen einige Gruppen (z.B. der Nerother Wandervogel) auf z.T. jahrelange und abenteuerliche Fahrten über den ganzen Globus. Sie verdienten sich das nötige Geld dazu mit Gesang und Theaterspiel. Durch diese enorme Leistung gelangten sie zu besonderer Berühmtheit innerhalb der Bewegung.

Im Gegensatz dazu wandten sich die deutschen Pfadfinder von dem staatlich geförderten Militarismus ab. Sie sehnten sich nun nach mehr Leben und Freiheit.

Wir zelten schwarz

Eberhard Koebel, genannt „tusk“, brachte mit der Gründung  der Deutschen Jungenschaft am 1.11.1929, kurz „d.j.1.11.“, neuen Schwung in die Jugendbewegung. Hier lag der Anspruch jedoch vor allem in immer besserer Leistung. Zufriedenheit sollte es so nicht mehr geben, man sollte in einem Zustand ständiger Anspannung leben. Sinnbild für diese Haltung war „der gespannte Bogen“, wie eine Schrift von tusk hieß.

tusk beeinflusste die deutsche Jugendbewegung bis heute nachhaltig:

Er ermöglichte es den jungen Leuten auch bei kälteren Temperaturen auf Fahrt zu sein, da er die berühmte schwarze Kohte von seinen Lapplandreisen mitbrachte. Ein Zelt, in dem Viele Platz finden und in dem man Feuer machen kann.

Auch die Jungenschaftsjacke („Juja“) ist eine Kreation von tusk.

Selbst das Liedgut wurde mit ihren Seemans- und Kosakenliedern stark von der d.j.1.11. geprägt.

Für die Jugendbewegung stellte tusk einen charismatischen Führer dar, dessen Einfluss weit über die Kleingruppen hinaus ging, da er auch Zeitschriften veröffentlichte wie z.B. „der Eisbrecher“.

…und so wurde die d.j.1.11. zum Feindbild Nummer eins für die Nationalsozialisten.

Mit der Machtübernahme der Nazis wurden so gut wie alle Jugenorganisationen außer der HJ strengstens verboten. Die Jugendbewegten hatten unterschiedlichste Taktiken damit umzugehen:

Viele Bünde versuchten weiterhin ihre Unabhängigkeit zu bewahren. Andere Bünde lösten sich zum Schein auf und traten der HJ bei, um unter diesem Deckmantel ihre bündische Arbeit aufrecht zu erhalten. Einige bündische Führer gingen in den Widerstand, wieder andere ließen sich für die HJ gewinnen und machten hier Karriere.Tatsächlich sind einige bündische Führer – durch ihre handfeste Erfahrung – an dem erfolgreichen Aufbau der HJ beteiligt.

Die tödliche Gefahr des Widerstands

Gruppen, die sich nicht eingliedern lassen wollten, wurden immer wieder Opfer von Gewalt und Willkür. Gingen sie in die Wälder,

 

um ihrem Fahrtendrang nachzugehen, mussten sie immer damit rechnen von der HJ abgefangen zu werden. Einige Bündische wurden sogar in KZ’s gebracht und dort getötet. Das prominenteste Beispiel bündischen Widerstands ist sicher Hans Scholl von der weißen Rose, der einer verbotenen d.j.1.11.-Gruppe angehörte.

Dennoch gelang es manchen wenigen Gruppen, trotz aller Gefahren, im Verborgenen weiterzuleben.

Neuanfang nach 1945

Nach dem zweiten Weltkrieg sahen die westlichen Besatzungsmächte im Pfadfindertum eine Chance, die deutsche Jugend zu demokratischen Staatsbürgern zu erziehen. So wurden die Gründungen von Pfadfindergruppen nach anfänglichen Bedenken bald weitgehend unterstützt.

1949 wurde der Ring deutscher Pfadfinderbünde aus 3 Bünden gebildet: einem interkonfessionelem (BDP), einem Evangelischem (CPD) und einem Katholischem (DPSG). Um 1950 wurde dieser dann durch die Internatioanle Pfadfinderkonferenz in den Weltbund aufgenommen.

68er-Revolution auch bei den Pfadfindern

Ende der 60er Jahre wurde vor Allem von der Jugend die gesellschaftliche Ordnung in der Bundesrepublik stark in Frage gestellt. Diese Bewegung machte auch vor den Jugendverbänden nicht halt: Im Bund Deutscher Pfadfinder (BDP) gab es zum Teil heftige Auseinandersetzungen und schließlich Abspaltungen und Austritte, da sich eine Mehrheit nun zu politisch links orientierte Jugendarbeit und weg von den alten pfadfinderischen Prinzipien entwickelte.

1970 sammelte sich eine größere Gruppe Ausgetretener im politisch unabhängigem Bund der Pfadfinerinnen und Pfadfinder (BdP), also dem BdP mit kleinem D, der nun auch statt dem ausgeschlossenen BDP in den Ring deutscher Pfadfinderverbände (RdP) und somit in den Weltbund aufgenommen wurde. Diesem Verband gehören inzwischen an die 250 Stämme (Ortsgruppen) an. Einer von diesen ist auch unser Stamm LEO aus Leipzig.

Es kann nicht kommentiert werden.